Die leise Revolution auf der Straße

Während große Projekte in der Verkehrspolitik stocken, passiert im Stillen etwas Grundsätzliches: Das neue StVG-Digitalpaket schafft die rechtlichen Grundlagen für den digitalen Führerschein, Kennzeichen-Scans und autonome Shuttlebusse. Eine Reform, die kaum Schlagzeilen macht – aber den Alltag von Busunternehmen spürbar verändern wird.

Während die großen Gesetzesinitiativen der Verkehrspolitik zuletzt im Streit zwischen Ressorts und Fraktionen stecken geblieben sind, bereitet das Verkehrsministerium im Stillen einen Schritt vor, der den Straßenverkehr spürbar verändern könnte. Es ist das technische Fundament für eine neue Ordnung auf Deutschlands Straßen. Während die Debatten über Tempolimits und Klimaziele die Schlagzeilen beherrschen, wird nun im Schatten der großen Themen ein Reformpaket verhandelt, das Verwaltung, Kontrolle und Alltag im Verkehr digitalisieren soll. Für Busunternehmen, Touristiker und den öffentlichen Nahverkehr geht es um mehr als um juristische Detailarbeit – es geht um die praktische Zukunftsfähigkeit der Branche.

Kern der geplanten Änderungen ist die Einführung eines digitalen Führerscheins. Was nach Verwaltungsmodernisierung klingt, bedeutet für Fahrer und Unternehmer einen echten Fortschritt. Künftig soll der Nachweis der Fahrerlaubnis elektronisch erfolgen, die physische Karte wäre nur noch optional. Wer regelmäßig grenzüberschreitend fährt, kennt die Mühen der Kontrolle und die Unsicherheiten bei ausländischen Behörden. Ein digitaler Nachweis würde das Mitführen entbehrlich machen und im Idealfall EU-weit gelten. Der Aufwand bei Dokumentenprüfung, Ersatzbeschaffung oder Kontrolle ließe sich deutlich reduzieren. Parallel dazu sollen auch die Fahrzeugpapiere digital werden. Zulassungsbescheinigungen könnten künftig über sichere Datenportale verwaltet und elektronisch abgerufen werden. Für Unternehmen mit großen Flotten eröffnet das eine neue Einfachheit: Weniger Papier, weniger Verzögerung, weniger Fehlerquellen. Die Reform knüpft an das Ziel an, den Verkehr endlich in das digitale Zeitalter zu holen – und das ohne Schlagworte wie „Mobilitätswende“, sondern mit konkreter Entlastung im betrieblichen Alltag.

Auch bei der Parkraumüberwachung steht eine stille Revolution bevor. Kommunen sollen künftig automatisiert prüfen dürfen, ob Fahrzeuge korrekt abgestellt sind. Spezielle Scan-Fahrzeuge erfassen Kennzeichen, gleichen sie mit den Daten registrierter Parkberechtigungen ab und melden Verstöße automatisch zur Nachkontrolle. Der Aufwand für den ruhenden Verkehr ließe sich so drastisch senken, gleichzeitig wäre die Kontrolle präziser und weniger fehleranfällig. Für Busunternehmen ist das kein Randthema. Immer wieder werden Haltebuchten, Ausstiegszonen oder reservierte Flächen von Pkw blockiert, was Verspätungen und Ärger mit Fahrgästen verursacht. Eine konsequentere, digitale Überwachung könnte hier endlich für Ordnung sorgen. Der Nutzen wäre unmittelbar spürbar: Der öffentliche Raum würde effizienter genutzt, Betriebsabläufe ließen sich besser planen, die Durchsetzung der Regeln würde glaubwürdiger. Natürlich ruft der Gedanke an Kennzeichen-Scans die Datenschützer auf den Plan, doch der Entwurf enthält Schutzmechanismen: Eine vollautomatische Sanktionierung ist nicht vorgesehen, jedes auffällige Fahrzeug soll durch menschliche Kontrolle bestätigt werden. Das Prinzip lautet: digital prüfen, aber analog entscheiden.

Besondere Aufmerksamkeit verdient das geplante Verbot des sogenannten Punktehandels. Bisher konnten Fahrerlaubnispunkte gegen Bezahlung auf andere Personen übertragen werden, ein Geschäftsmodell in der Grauzone. Der neue Paragraf will dieses Schlupfloch schließen. Das mag nach Detailregelung klingen, hat aber erhebliche Wirkung auf den Berufsverkehr. Für Busunternehmen bedeutet es, dass Verstöße einzelner Fahrer nicht mehr stillschweigend kompensiert werden können. Wer die Verantwortung trägt, muss auch mit den sich daraus ergebenen Folgen umgehen. Das verschärft die Anforderungen an Schulung, Kontrolle und Prävention, macht aber das System fairer. Denn bislang konnten sich schwarze Schafe Vorteile verschaffen, während regelkonforme Betriebe das Nachsehen hatten. Die Branche wird damit zu einem ehrlicheren Wettbewerb gezwungen – und zu einer noch stärkeren Sicherheitskultur. Auch wenn der Schritt unbequem sein mag, er setzt ein notwendiges Signal: Verkehrssicherheit darf kein Verhandlungsthema sein.

Ein weiterer Baustein betrifft das autonome Fahren. Begriffe und Genehmigungsprozesse im Zulassungsrecht sollen so angepasst werden, dass automatisierte Fahrzeuge einfacher zugelassen werden können. Damit schafft der Gesetzgeber die Grundlage für Pilotprojekte mit fahrerlosen Shuttles im ÖPNV oder im touristischen Verkehr. Ob in Ferienorten, auf Messegeländen oder als Zubringer zu Bahnhöfen – der Einsatz selbstfahrender Kleinbusse wird rechtlich greifbarer. Für viele Busunternehmen eröffnet sich damit ein Feld, das in wenigen Jahren marktreif werden könnte. Was heute noch als Zukunftsprojekt gilt, wird mit der Novelle ein realistisches Geschäftsmodell: automatisierte Transportangebote, die bestehende Linien ergänzen, statt sie zu ersetzen. Die Technik mag noch nicht flächendeckend bereit sein, doch der Rechtsrahmen wächst ihr jetzt voraus.

Auch die Forschung soll profitieren. Die Bundesanstalt für Straßenwesen erhält erweiterte Befugnisse, um Unfalldaten systematisch auszuwerten. Ziel ist, die Vision Zero – also null Verkehrstote – auf eine belastbarere empirische Grundlage zu stellen. Für die Branche ist das von Bedeutung, weil Busse zwar die sichersten Verkehrsmittel sind, aber im gemischten Verkehr auf dieselbe Infrastruktur angewiesen bleiben. Wenn die Unfallanalyse künftig besser funktioniert, lassen sich auch für die Branche präzisere Empfehlungen für Fahrzeugtechnik, Fahrertraining und Streckenplanung ableiten. Das zahlt auf den Sicherheitsvorsprung des Busses ein und stärkt ihn zugleich.

Interessant ist dabei der politische Verlauf dieser Reform. Viele der nun diskutierten Maßnahmen waren schon in der vorherigen Legislatur angelegt. Die neue Koalition greift sie nahezu unverändert auf. Es ist ein Muster, das man in Berlin kennt: Große Projekte bleiben stecken, kleine werden still umgesetzt. Doch gerade diese kleinen Schritte verändern die Praxis am stärksten. Diese Novelle wird wahrscheinlich keine Schlagzeilen machen, aber sie wird wirken – leise, dauerhaft, konkret. Für Busunternehmer, die im Tagesgeschäft zwischen Bürokratie, Fahrermangel und Innenstadtlogistik arbeiten, ist sie mehr als ein technisches Detail. Sie ist ein realistischer Fortschritt, den man verstehen, begleiten und nutzen sollte.

Denn in einer Branche, in der Effizienz, Sicherheit und Vertrauen entscheidend sind, kann Digitalisierung kein Schlagwort bleiben. Sie muss sich in den Abläufen zeigen: bei der Kontrolle, bei der Dokumentation, bei der Haftung. Genau dafür liefert das StVG-Digitalpaket den rechtlichen Rahmen. Es modernisiert, ohne zu ideologisieren, und es schafft Spielräume, ohne neue Pflichten zu erfinden. Wenn es gelingt, dieses Paket pragmatisch umzusetzen, könnte es der Anfang einer Phase sein, in der Politik und Praxis im Verkehr ausnahmsweise einmal in dieselbe Richtung arbeiten.

Roman Müller-Böhm