Bringt das Infrastruktur-Zukunftsgesetz wirklich Tempo?

Wer heute mit einem Reisebus über deutsche Autobahnen fährt, kennt das Bild. Der Fahrplan ist eng, die Gäste im Bus schauen auf die Uhr, vor dem Cockpit reiht sich Baustelle an Baustelle. Provisorische Brücken, verengte Fahrspuren, Nachtsperrungen. Für die Branche ist die marode Infrastruktur längst kein abstraktes Thema mehr, sondern tägliches Geschäftsrisiko.

Mit dem Reisebus im Stau stehen, ist längst alltäglich auf Deutschlands Straßen
Mit dem Reisebus im Stau stehen, ist längst alltäglich auf Deutschlands Straßen

Genau hier setzt das neue Infrastruktur-Zukunftsgesetz an. Das Bundesverkehrsministerium hat einen Referentenentwurf vorgelegt, der nichts weniger verspricht als eine umfassende Planungsbeschleunigung. Bis zu 16 Gesetze und Verordnungen sollen geändert werden. Betroffen sind u. a. das Allgemeine Eisenbahngesetz, das Bundesschienenwegeausbaugesetz, das Bundesfernstraßengesetz, das Bundeswasserstraßengesetz und das Luftverkehrsgesetz. Ebenso greifen die Vorschläge in das Umwelt- und Verfahrensrecht ein, etwa in das Bundesnaturschutzgesetz, das Verwaltungsverfahrensgesetz und das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung.

Doppelprüfungen vermeiden
Auf dem Papier klingt das wie ein großer Wurf. Künftig sollen alle Aus-, Neu- und Ersatzneubauten im Bundesschienenwegeausbaugesetz pauschal im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen. Mit dieser Einstufung erhält die Schiene den gleichen rechtlichen Vorrangstatus, den große Straßenprojekte schon länger kennen. Parallel dazu will der Bund im Raumordnungsrecht klarstellen, dass für Projekte von Bundesfernstraßen, Wasserstraßen und Schienenwegen keine zusätzlichen Raumverträglichkeitsprüfungen mehr nötig sind, sofern eine Bundesplanung vorliegt. Die Länder sollen an dieser Stelle keine eigenen, strengeren Vorgaben oben drauf setzen können. Die Idee dahinter ist einfach. Doppelprüfungen sollen entfallen, Reibungsverluste zwischen den Ebenen abgebaut werden, Genehmigungen häufiger aus einer Hand erfolgen.

Konkreter wird es bei den Änderungen im Eisenbahnrecht. Der Katalog von Maßnahmen, die ohne aufwendiges Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren möglich sind, wird deutlich erweitert. Dazu zählen der barrierefreie Umbau von Bahnsteigen, einschließlich Anpassung von Zuwegungen, die technische Sicherung von Bahnübergängen, die Änderung von Durchlässen, Hang- und Felssicherungen entlang der Trasse und ähnliche Einzelmaßnahmen. Für viele Kommunen und Verkehrsunternehmen ist das ein zentraler Punkt. Gerade im Regionalverkehr warten seit Jahren Projekte auf Umsetzung, weil selbst kleinere Umbauten durch das volle Verfahren mussten.

Ganz ohne Grenzen geht es allerdings nicht. Einen Vorstoß aus dem Bundesrat, zusätzliche Gleise an Bestandsstrecken generell ohne Umweltverträglichkeitsprüfung zuzulassen, weist die Bundesregierung zurück. Sie verweist auf europarechtliche Vorgaben und frühere Urteile des Europäischen Gerichtshofes, nach denen auch ein zweites Gleis erhebliche Umweltauswirkungen haben kann und deshalb grundsätzlich geprüft werden muss. Die Botschaft ist klar. Planungsbeschleunigung ja, aber nicht um den Preis klarer EU-Vorgaben.

Mittelfristig könnte es aufwärts gehen
Was bedeutet das nun für Reise- und Linienbusunternehmen ganz konkret. Zunächst spricht vieles dafür, dass es kurzfristig eher mehr Baustellen geben wird. Wenn das Gesetz wie geplant im kommenden Jahr in Kraft tritt und tatsächlich mehr Projekte planerisch vorbereitet werden können, rollt erst einmal eine Welle von Baumaßnahmen auf das Netz. Auf Autobahnen, Bundesstraßen, Brücken und an wichtigen Schienenkorridoren wird intensiver gebaut werden. Für Busunternehmen heißt das längere Fahrzeiten, kompliziertere Dienstpläne, zusätzliche Umwegkilometer und noch mehr Abstimmung mit Auftraggebern, Reiseveranstaltern und Kundschaft.

Mittelfristig liegt hier aber genau die Chance. Viele der neuralgischen Punkte, die Busbetriebe seit Jahren nerven, sollen endlich angegangen werden. Dazu gehören sanierungsbedürftige Talbrücken im Fernstraßennetz, dauerüberlastete Autobahnknoten, Lückenschlüsse rund um touristische Regionen und Engstellen an Zubringerstraßen in Städte. Wenn Planungsverfahren verlässlicher werden, können Infrastrukturträger Bauphasen besser bündeln, Sperrungen früher ankündigen und Umleitungsverkehre geordneter organisieren. Für Reisebusse, die auf pünktliche Ankunftszeiten in Hotels, bei Programmpunkten oder Schiffsanlegern angewiesen sind, ist diese Verlässlichkeit oft wichtiger als die reine Zahl der Baustellen.

Auch für touristische Infrastruktur kann der Entwurf relevant werden. Viele Destinationen brauchen bessere Zufahrten, neue Busparkplätze, sanierte Ortsdurchfahrten, sichere Haltepunkte für Zustieg und Ausstieg. Wenn Kommunen weniger Zeit im Verfahrensdickicht verlieren, erhöhen sich die Chancen, dass solche Projekte tatsächlich gebaut werden und nicht nur in Konzeptpapieren stehen. Ob das gelingt, wird aber weniger an schönen Überschriften im Gesetz liegen als an der Frage, ob Planungsbüros, Verwaltung und Bauwirtschaft überhaupt die Kapazitäten haben, eine zusätzliche Projektwelle zu stemmen.

Aus Sicht der Branche lohnt sich daher ein sehr praktischer Blick. Wer regelmäßig bestimmte Korridore befährt, z. B. klassische Touristenachsen in Mittelgebirgen, Zugangsrouten zu Küstenregionen oder Einfahrten in Großstädte, sollte bereits jetzt das Gespräch mit den zuständigen Straßenbauverwaltungen und Kommunen suchen. Wenn klar ist, dass in den nächsten Jahren ein Abschnitt generalsaniert wird, kann ein frühzeitiger Dialog über Umleitungen, Ersatzhaltestellen, Zufahrten zu Hotels, Parkraum für Busse und abgestimmte Zeitfenster für Sperrungen viel Ärger sparen.

Das Infrastruktur-Zukunftsgesetz ist damit weder die ersehnte Zauberformel noch reine Symbolpolitik. Es verschiebt Gewichte in den Verfahren, nimmt an einigen Stellen Tempo auf und stößt gleichzeitig neue Diskussionen an, etwa zur Balance von Klimaschutz und Baugeschwindigkeit. Für Busunternehmen gilt die alte Regel. Erst kommt die Baustelle, dann die bessere Strecke. Entscheidend ist, ob die Politik das zweite Versprechen wirklich einlöst.

Roman Müller-Böhm

Busnews

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