Wer heute im Tourismus mit „grünen“ Versprechen wirbt, fährt auf Sicht, und zwar durch deutlich enger gewordene Leitplanken. Behörden, Verbraucherverbände und Gerichte legen die Latte für Umweltclaims spürbar höher. Zugleich sortiert die EU ihr Regelwerk neu: Mit der „Empowering Consumers“-Richtlinie (EmpCo) kommen präzise Verbote und Begründungspflichten, während die ursprünglich geplante Green‑Claims‑Richtlinie politisch auf der Stelle tritt. Für Reiseveranstalter, Airlines, Kreuzfahrten und auch für Busunternehmen heißt das: Pauschale Wohlfühlformeln raus, belastbare Fakten und klare Sprache rein.
Klare Rechtsprechung zeichnet sich ab
Die Linie der Rechtsprechung ist unübersehbar. Das Landgericht Hamburg kassierte 2024 die Ankündigung von TUI Cruises, bis 2050 „Net‑Zero“ zu werden: Zu viel Pathos und zu wenig Substanz, befand das Gericht. Ein Zukunftsversprechen ohne belastbaren und erklärten Fahrplan in der Werbung bleibt irreführend. Im März 2025 untersagte das Landgericht Köln einer Airline pauschale CO2‑Kompensationsversprechen. Wer suggeriert, man könne Emissionen mit einem Klick „wegkompensieren“, muss die Mechanik dahinter so transparent machen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher die Aussage tragen können, sonst ist es unlauter. Juristische Kommentare heben den Kern hervor: fehlende Transparenz, zu pauschale Aussagen. Dazu passt das Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 27.6.2024: „Klimaneutral“ ist ein mehrdeutiger Begriff und deshalb nur zulässig, wenn die Werbung selbst klarstellt, ob echte Emissionsminderungen vorliegen oder nur Ausgleichsmaßnahmen. Hinweise, versteckt auf einer Website, genügen nicht. Für die Praxis ist das die Messlatte, an der künftig alle Umweltclaims gemessen werden.
Auch außerhalb Deutschlands zieht sich die Schlinge um blumige Versprechen zu. Die britische Werbeaufsicht ASA kassiert seit 2023/24 regelmäßig Airline‑Slogans à la „fly more sustainably“ und neuerdings grüne Übertreibungen rund um LNG‑Kreuzfahrtschiffe. Wer LNG als „saubersten“ Schiffstreibstoff anpreist, unterschlägt schnell den Methanschlupf und Lebenszyklus‑Emissionen.
Die Lehre: Absolut‑Formeln ohne harte Belege sind tabu. Die EmpCo‑Richtlinie gießt diese Linie in EU‑Recht. Bis zum 27.3.2026 müssen die Mitgliedstaaten sie umsetzen. Ab dem 27.9.2026 gilt sie. Kernpunkte: Umweltversprechen ohne Nachweis sind unzulässig. Klimaneutralitäts‑Aussagen, die allein auf Offsetting beruhen, kommen auf die Schwarze Liste unlauterer Praktiken. Zukunftsbehauptungen (z. B. „Net‑Zero bis 2050“) benötigen öffentlich zugängliche, messbare Zwischenziele und regelmäßige, unabhängige Überprüfung. Kurz: Wer künftig Großes verspricht, muss im Kleingedruckten liefern, und zwar vorab.
Ein zweiter EmpCo‑Hebel trifft die Label‑Flut. „Selbstgebastelte“ Nachhaltigkeitssiegel sind ab 2026 nur noch zulässig, wenn sie auf einem anerkannten Zertifizierungssystem mit unabhängiger Kontrolle beruhen oder von einer Behörde stammen. Plattformen reagieren bereits: Booking.com hat sein eigenes „Travel Sustainable“-Abzeichen zurückgezogen und stellt die Sichtbarkeit auf Drittzertifikate (z. B. EMAS, GSTC‑konform) um. Das signalisiert, wohin die Reise geht: weg vom Eigenlabel, hin zur geprüften Anerkennung.
Was bedeutet dies für die Busbranche?
ist nicht nur Pflicht, sondern auch Praxisrisiko: Das Landgericht Berlin rügte 2025 CO2‑Einsparungsangaben bei Google Flights, weil Schätzwert‑Unsicherheiten nicht klar genug kenntlich gemacht wurden. Wer mit Zahlen wirbt, muss Unsicherheiten offenlegen, sonst kippt der Vertrauensvorschuss. Für die Busbranche ist das keine Fußnote, sondern ein Weckruf. Der BGH hat im Februar 2025 in einem Fall zu Umweltaussagen bei Fernbusreisen die Zügel angezogen: Allgemeine oder vergleichende Werbeslogans benötigen greifbare, verständliche Informationen. Auch bei Zusatzleistungen wie CO2‑Kompensation ist Klartext Pflicht, eine Preisangabe allein reicht nicht. Wer also mit „klimafreundlicher Busreise“ wirbt, sollte Emissionsfaktoren, Bezugsmethoden (z. B. Tank‑to‑Wheel vs. Well‑to‑Wheel), den Anteil realer Minderungen im Betrieb (Fahrzeugflotte, HVO‑Einsatz, Fahrweise) und getrennt davon etwaige Offsetting‑Projekte erläutern. Alles andere lädt Wettbewerber und Verbände zur Abmahnung ein.
Paradox ist: Die Green‑Claims‑Richtlinie, die europaweit ein einheitliches Prüf‑ und Vorab‑Zertifizierungssystem für freiwillige Umweltbehauptungen schaffen sollte, wurde im Juni 2025 auf Eis gelegt. Die Kommission drohte mit Rückzug, falls Kleinstunternehmen im Anwendungsbereich bleiben. Folge ist: Die Trilogverhandlungen wurden gestoppt. Kurz darauf stellte Brüssel klar: formal nicht zurückgezogen, aber ausgesetzt; der dänische Ratsvorsitz sondiert, ein neues Ergebnis liegt bis heute nicht vor. Der politische Wind steht auf Entlastung, der öffentliche Druck gegen Greenwashing dagegen nimmt zu, daher bleibt für Unternehmen die EmpCo-Richtlinie damit der harte Anker, flankiert von Gerichtsentscheidungen.
Was folgt daraus für Touristiker und Busunternehmer? Erstens: Hände weg von Leerformeln. Begriffe wie „grün“, „klimafreundlich“ oder „nachhaltiger“ sind nur dann haltbar, wenn sie konkret belegt und in der Anzeige selbst erklärt werden, inkl. Systemgrenzen und Datenquellen. Zweitens: Offsetting ist ergänzend, nicht ersetzend: Kompensation ohne ausgewiesene reale Minderungen und ohne methodische Transparenz hält dem Prüflicht nicht stand. Drittens: Zukunftsziele gehören auf eine öffentlich zugängliche Roadmap mit Meilensteinen und externer Kontrolle. Viertens: Label‑Hygiene – Auf anerkannte Zertifizierungen setzen, eigene Logos ohne robuste Standards sind ab 2026 ein Risiko. Und fünftens: Daten sprechen lassen. Wo Zahlen unsicher sind, gehört die Unsicherheit dazu. Das alles klingt nach Mühe, ist aber die Brücke vom guten Willen zur belastbaren Aussage.
Die gute Nachricht: Wer jetzt umstellt, gewinnt Glaubwürdigkeit und Rechtssicherheit zugleich. Bus‑ und Gruppenreiseanbieter, die ihre realen Effizienzgewinne (moderne Euro‑VI‑ oder E‑Busse, sinnvolle Auslastung, Fahrerassistenz, HVO‑Pilotierungen) sauber dokumentieren und sauber formulieren, haben eine starke Geschichte, ganz ohne grüne Watte. Ab 2026 wird die EmpCo‑Schraube ohnehin angezogen. Wer bis dahin klare Standards, echte Minderungen und verlässliche Zertifikate vorweisen kann, wirbt nicht nur rechtssicher, sondern auch überzeugend. Genau darum geht es: nicht weniger versprechen, sondern mehr belegen.
Roman Müller-Böhm