Steuerliche Benachteiligung von Reisebussen ist das falsche Signal

Wer heute eine Mehrtagesreise kalkuliert, schaut längst nicht mehr nur auf Hotelpreise und Maut. Ein Reiseveranstalter mit eigenem Fuhrpark rechnet jede Position durch. Diesel, Löhne, Werkstatt, Versicherungen und am Ende die Mehrwertsteuer. Gleichzeitig wirft der Kunde zu Hause einen schnellen Blick auf die Flugportale. Genau an dieser Stelle verändert die Bundesregierung jetzt die Rahmenbedingungen.

Im November hat Bundeskanzler Friedrich Merz nach Beratungen im Kanzleramt angekündigt, die im Mai 2024 deutlich erhöhte Luftverkehrsteuer zum 1.7.2026 wieder zu senken. Die Steuerentlastung soll in etwa bei 350 Mio. € pro Jahr liegen. Die Regierung begründet den Schritt mit der Wettbewerbsfähigkeit des Luftverkehrsstandorts. Man wolle die Luftfahrtbranche stärken und Passagierflüge von deutschen Flughäfen wieder attraktiver machen. Etwaige Steuerausfälle sollen im Verkehrsetat aufgefangen werden. 

Damit wird eine Entscheidung korrigiert, die erst seit 2024 wirksam ist. Damals war die Luftverkehrsteuer spürbar angehoben worden. Innerdeutsche und europäische Kurzstreckenflüge wurden teurer, auf Mittel und Langstrecken stieg die Belastung ebenfalls. Internationale Flüge bleiben wie bisher komplett von der Mehrwertsteuer befreit. Nun wird diese Erhöhung vollständig zurückgenommen. Für Airlines heißt das: weniger Fiskallast und mehr Spielraum bei Preisen und Streckenangeboten.

Für Reise und Fernbusse sieht die Welt anders aus. Sie zahlen unverändert den vollen Mehrwertsteuersatz von 19 %, sobald es um Fernverkehr oder grenzüberschreitende Strecken geht. Lediglich bei genehmigten Linienverkehren bis 50 km innerhalb Deutschlands gilt der ermäßigte Satz von 7 %. Im innerdeutschen Schienenfernverkehr wurde der Satz dagegen schon zum 1.1.2020 generell auf 7 % abgesenkt. Bahnfahrten über 50 km werden seitdem steuerlich begünstigt, was die Ticketpreise um rund 10 % gesenkt hat. 

In der Praxis bedeutet das: Wenn ein Kunde eine Städtereise mit dem Bus bucht, steckt in seinem Reisepreis die volle Mehrwertsteuer auf die Busbeförderung. Entscheidet er sich für eine Flugreise, fällt auf das Flugticket keine Mehrwertsteuer an, und ab 2026 sinkt zusätzlich noch die Luftverkehrsteuer. Für den Schienenfernverkehr gilt der ermäßigte Satz. Der Bus trägt die höchste steuerliche Last, obwohl er als Verkehrsträger weder besonders subventioniert noch durch staatliche Infrastrukturgesellschaften gestützt wird.

Gerade mittelständische Reisebusbetriebe, die als Unternehmer eigenes Kapital im Fuhrpark gebunden haben, spüren diese Schieflage. Sie tragen das Investitionsrisiko für hochwertige Reisebusse, bilden Fahrer aus, halten Ersatzkapazitäten für Pannen und Spitzen bereit und finanzieren all das aus ihren Erlösen. Wenn sie gleichzeitig im Wettbewerb mit Flug und Bahn stehen, entscheidet am Ende oft der Endpreis, den der Kunde auf dem Prospekt sieht. Eine unterschiedliche steuerliche Behandlung verzerrt genau diese Endpreise, ohne dass der Bus selbst etwas an seiner Leistung ändern könnte.

Die Bundesregierung argumentiert, dass der Luftverkehr wegen hoher Abgaben, Gebühren und Betriebskosten entlastet werden müsse, um Abwanderung von Verkehrsströmen ins Ausland zu vermeiden. Diese Standortargumentation mag aus Sicht der Flughäfen nachvollziehbar sein. Sie beantwortet aber nicht die entscheidende Frage der Busbranche. Warum bleibt der steuerliche Rahmen für Reisebusse unangetastet, wenn gleichzeitig ein milliardenschwerer Ausbau von Straßen und Brücken von den Busunternehmen mitfinanziert wird und sie im touristischen und regionalen Verkehr eine tragende Rolle spielen.

Der Hinweis auf Klimaschutz, der in der öffentlichen Debatte häufig bemüht wird, tritt hier eher in den Hintergrund. Selbst wer diesen Aspekt berücksichtigt, sieht eine offenkundige Ungleichbehandlung. Auf der einen Seite steht ein Verkehrsträger, der keine Mehrwertsteuer zahlt und ab 2026 geringere Ticketabgaben leisten muss. Auf der anderen Seite steht eine mittelständisch geprägte Branche, die mit dem vollen allgemeinen Steuersatz belastet bleibt und keine zusätzliche Entlastung erhält. Für viele Busunternehmer ist das schlicht eine Frage des Respekts vor ihrer wirtschaftlichen Leistung.

Dass andere europäische Staaten Bus und Bahn im internationalen Verkehr steuerlich besserstellen, unterstreicht diesen Punkt. Schon vor einigen Jahren wurde etwa darauf hingewiesen, dass Länder wie Dänemark, Italien oder Schweden grenzüberschreitende Zug und Bustickets von der Mehrwertsteuer entlasten oder sie deutlich reduzieren, um sie gegenüber dem Flugverkehr gleichzustellen. Deutschland hat zwar beim Schienenfernverkehr nachjustiert, den Bus aber im Wesentlichen außen vor gelassen.

Was bedeutet diese Politik für die nächsten Jahre im Busgeschäft. Zum einen wird der Preisdruck in Segmenten steigen, in denen Bus- und Flugreise real konkurrieren. Städtereisen, Eventtrips, Kurzurlaube und bestimmte internationale Linien gehören dazu. Wenn Flugtickets durch Abgabensenkungen etwas günstiger werden, werden Reiseveranstalter und Kunden das in ihren Vergleichen berücksichtigen. Zum anderen wird es schwerer, gegenüber Geschäftspartnern und politischen Entscheidungsträgern zu begründen, warum ausgerechnet der Bus in Förderprogrammen und Steuerfragen oft nur im Fußnotenteil vorkommt.

Die Konsequenz kann nicht sein, die Luftverkehrsteuer automatisch auch auf den Bus zu übertragen. Es geht um eine andere Richtung. Eine faire Lösung wäre, Reise und Fernbusse bei der Mehrwertsteuer mit der Bahn gleichzustellen. Ein ermäßigter Satz würde den Wettbewerb wieder auf eine weniger verzerrte Grundlage stellen. Busunternehmer könnten diesen Vorteil in ihren Kalkulationen an Kunden weitergeben und gleichzeitig Spielraum für notwendige Investitionen in Fahrzeuge, Personal und digitale Angebote gewinnen.

Bis es soweit ist, bleibt die Realität, dass der Bus im Schatten anderer Verkehrsträger läuft, steuerlich aber auf der hellen Seite des Kassenbons steht. Die Entscheidung zur Senkung der Luftverkehrsteuer ab 2026 zeigt, wie schnell die Bundesregierung handeln kann, wenn sie eine Branche gezielt entlasten will. Aus Sicht der Busunternehmen ist jetzt der Zeitpunkt, darauf hinzuweisen, dass eine starke Buswirtschaft kein Anhängsel der Verkehrspolitik ist, sondern ein zentraler Teil der Lösung für Mobilität, Tourismus und regionale Wertschöpfung. Wenn Steuergerechtigkeit hier nicht mitgedacht wird, sendet Berlin ein deutliches Signal. Fliegen soll einfacher werden. Der Reisebus muss sehen, wie er klarkommt.

Roman Müller-Böhm