Vor mehr als einem Jahrhundert krempelte die Entwicklung des Verbrennungsmotors die Mobilität völlig um, heute erleben wir eine ähnliche tiefgreifende Revolution, die den öffentlichen Personenverkehr grundlegend verändern wird.
Der gesamte Verkehrssektor erlebt derzeit einen Wandel, von dem noch gar nicht absehbar ist, wie tiefgreifend er ist. Drei grundlegende Entwicklungen, die den Busverkehr betreffen, widmete sich in diesem Jahr die Elektrobuskonferenz des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV): Umstellung der Busflotten auf alternative Antriebe, autonomes Fahren und geteiltes Fahre (Sharing-Modell oder On-Demand-Verkehre).
Die mit diesen drei parallel verlaufenden verbundenen Herausforderungen für die Unternehmen sind gewaltig. Es ist eine Umwälzung im Verkehrssektor, die mit jener vor 120 Jahren vergleichbar ist, als das Automobil die Pferdekutschen ersetzte. Wie damals wird sich die Mobilitätswelt grundlegend verändern.
Der Einsatz von autonom fahrenden Fahrzeugen könnte sich dabei sogar als noch größere Revolution erweisen als der Wechsel vom Dieselbus zu alternativen Antrieben. So bezeichnete Frank Klingenhöfer von der DB Regio/Ressort Straße in seiner Keynote zur diesjährigen Elektrobuskonferenz den Einsatz fahrerlosen Shuttles als einen „Game Changer im ÖPNV“. Durch den Einsatz autonomer Fahrzeuge begebe man sich in eine komplett neue Systemwelt, so Klingenhöfer, der betonte: Als Verkehrsunternehmen müsse man sich vor Augen führen, dass „diese Entwicklung längst begonnen hat“. Es helfe daher nichts, davor die Augen zu verschließen, denn „es kommt sowieso“, zeigte sich Klingenhöfer überzeugt.
Diese Aussage bestärkten die Hersteller von autonom fahrenden Fahrzeugen, die beim Zukunftskongress autonomes Fahren ihre aktuellen Konzepte für den ÖPNV vorstellten und dabei konkrete Angaben wie selten machten.
So kündigte Lena Kleinschmidt, Director Sales von Holon, eine Marke der Benteler Group, für das vierte Quartal 2025 den Beginn der Serienproduktion ihres autonomen und vollelektrischen Movers an, den man in diesem Jahr auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas vorgestellt hatte. Schon vorher werde man mit dem Fahrzeug Pilotprojekte durchführen, so Kleinschmidt. Die Fahrzeuge sollen sowohl im Linienverkehr als auch im On-Demand-Verkehr eingesetzt werden können. Ausgelegt ist das Shuttle auf bis zu 15 Fahrgäste, der Innenraum kann flexibel gestaltet werden. Was die Produktionszahlen angeht, wolle man zwischen 10.000 und 15.000 Fahrzeugen jährlich fertigen, sagte Kleinschmidt.
Etwas größer als der Mover von Holon ist das Shuttle von ZF für den autonomen Verkehr, das Werner Engl von der ZF Group im Rahmen der VDV-Elektrobuskonferenz vorstellte und dass auch in der Ausstellung zu sehen war. Auch hier ist der Innenraum flexibel skalierbar, Raum bietet das Shuttle bis zu 15 Sitzplätzen, mit Stehplätzen können bis zu 22 Personen befördert werden. Das Shuttle soll anfangs mit einer Geschwindigkeit von 40 km/h unterwegs sein, in der weiteren Entwicklung mit 80 km/h.
Ebenfalls mit einem autonom fahrenden Shuttle kommt Schaeffler auf den Markt, das – wie auch Holon – mit Mobileye zusammenarbeitet. Alexander Böhm, Business Development bei Schaeffler, sieht die Herausforderung bei autonom fahrenden Fahrzeugen im ÖPNV weniger in der Technik als im Geschäftsmodell. Hier müsse man Antworten finden, wie sich Kosten, Nutzen und Risiken ausbalanciere lassen. Technisch und auch regulatorisch seien alle Voraussetzungen für den Einsatz solcher Fahrzeuge inzwischen gegeben, meinte Böhm.
Komplett machte die Runde Daniel Schmidt von VW Nutzfahrzeuge, der die Serienproduktion des autonom fahrenden ID Buzz AD für 2025 ankündigte. In der Entwicklung sei auch ein sogenanntes „Special Purpose Vehicle“ (SPV), das als autonomes Shuttle im Personenverkehr eingesetzt werden soll.
Die Fahrzeuganbieter erklärten unisono, dass man einen Einsatz der automatisiert fahrenden Shuttles mit Level 4 im Blick habe. Zudem betonten alle, dass das Fahrzeug selbst nur Teil eines Gesamtsystems beim automatisieren Fahren ist und dass die Fahrzeuge den klassischen ÖPNV ergänzen und eine Lücke zwischen Individualverkehr und großen Gefäßen im Linienverkehr schließen sollen.
Klingenhöfer machte dann am Beispiel der Kosten deutlich, welche Folgen das autonome Fahren für die Verkehrsunternehmen haben kann und welche Potenziale fahrerlose Fahrzeug bieten. So ließen sich laut Klingenhöfer durch den Einsatz fahrerloser Fahrzeuge die Betriebskosten um bis zu 30 % senken. Dadurch würden Verkehrsangebote überhaupt möglich, die wirtschaftlich derzeit noch nicht darstellbar wären, betonte Klingenhöfer. Autonom fahrende Fahrzeug – Klingenhöfer sprach dabei von Fahrzeugen, die mit Level 4 unterwegs sind – würden so also auch die dringend notwendige Ausweitung des ÖPNV-Angebots möglich machen.
Dass der Kostenaspekt nur ein Aspekt ist, betonte Klingenhöfer immer wieder. Autonom fahrende Fahrzeuge in Verbindung mit On-Demand-Verkehren würden etwas ganz Neues schaffen. Hier lasse sich ein Angebot schaffe, das ganz auf Kundenwünsche zugeschnitten sei und sich nicht – wie das seiner Ansicht nach bisher im ÖPNV ist – an den Bedürfnissen eines Verkehrsunternehmens orientiere. Nutzerorientierung stehe beim autonomen Fahren nun im Vordergrund und dies könne für die Menschen Anreize schaffen, vom eigenen Pkw auf den ÖPNV umzusteigen. Hier biete etwa die Kombination aus On-Demand-Verkehren mit autonom fahrenden Fahrzeugen ganz neue Möglichkeiten.
Zum Schluss seines Vortrags hatte Klingenhöfer daher den dringlichen Rat an die Verkehrsunternehmen: „Das Thema ist da. Setzen Sie sich damit auseinander!“
Das autonome Fahren kann ein echter Vorteil für den ÖPNV werden, weil es eben Angebote möglich macht, die bisher nicht realisierbar waren – eine Ansicht, bei der nahezu Konsens auf der diesjährigen Konferenz herrschte. Es ist eine Chance für die Verkehrsbetriebe, die es aber auch zu ergreifen gilt, um deutlich zu machen, dass die Branche bei dieser Entwicklung eine Führungsrolle einnehmen kann und dies auch will.
Die Branche wolle den Beweis antreten, dass „es falsch ist, zu sagen, ‚autonomes Fahren, das ist immer in drei Jahren‘. Wir haben in Deutschland die gesetzlichen Grundlagen, wir haben gemeinsam mit den Herstellern das Know-how und vor allem: Wir haben den Willen, diese Technik als weitere, spielverändernde Innovation einzuführen“, sagte Werner Overkamp, Vize-Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen. Es müsse das Ziel sein, autonomes Fahren „von den Kommunen und den Verkehrsunternehmen her zu denken“, so Overkamp.
Auch mit Blick auf die Umstellung der Busflotten auf alternative Antriebe, zeigt man sich beim VDV ambitioniert. „Wir können ein Jahrzehnt der E-Busse prägen“, sagte Overkamp, mit Blick auf den Einsatz von immer mehr Elektrobussen bei den deutschen Verkehrsunternehmen.
Tempo bei der Indienststellung von E-Bussen ist aber auch gefordert, denn will man die Ziele der Clean Vehicle Directive (CVD) erreichen, müssten bis 2030 jährlich rund 8.000 E-Busse in Deutschland auf die Straße gehen. Laut den Zahlen des VDV bedeutet dies, dass rund 75 % der Neuanschaffung von Linienbussen in den kommenden Jahren elektrisch sein müssen. Ohne eine ausreichende Finanzierung und üppig fließende Fördergelder der öffentlichen Hand ist das jedoch nicht zu schaffen.
Wie herausfordernd diese Umstellung ist, zeigt ein Blick auf die aktuellen Zahlen. Insgesamt fördert das Bundesverkehrsministerium (BMDV) mit den bisherigen Förderaufrufen rund 4.200 Elektrobusse. Von 2021 bis heute gab es zwei sogenannte „Calls“: Im ersten Call wurden im ersten Los rund 5.000 Busse beantragt – gefördert wurden mit 3.174 Bussen etwa 63 %. Im zweiten Los wurden rund 3700 Busse beantragt – gefördert werden circa 1.200 bis 1.400 Busse und damit etwa 32 %. Jetzt steht der zweite Call an, mit der Aussicht auf einen dritten. Der Bund hat zudem bereits angekündigt, dass für 2023 und 2024 weitere Förderrunden geplant seien.
Bildquelle: Thomas Burgert
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