Die Gemeinschaft der Gruppenreiseveranstalter erlebt unruhige Zeiten, die vieles Selbstverständliche aus den Angeln hebt. Pandemie, Personalmangel, Energiekosten und Krieg…, um nur einige Stichworte zu nennen. Wir sprachen jetzt mit Bastian Langguth, Geschäftsführer von der BTO International GmbH über die Herausforderungen in der Branche.
Busmagazin: Herr Langguth, die Corona-Pandemie hat aktuell ihren Höhepunkt überschritten, auch wenn noch keiner weiß, wie Herbst und Winter werden. Rückblickend, wie dramatisch war diese Zeit für BTO?
Bastian Langguth: In der ersten Monaten gab es bei mir viele schlaflose Nächte, weil ich einfach nicht wusste, was kommt da wirklich auf uns zu und wie übersteht BTO diese Zeit. Ein Beispiel, was mir wirklich Bauchschmerzen bereitet hat: Wir haben, als das Reisen an sich europaweit zum Stillstand kam, die eingezahlten Gelder wieder schnell und komplett an unsere Kunden zurückgezahlt. Nicht alle unsere Leistungsgeber sind dem Beispiel genauso schnell gefolgt. Wir hatten also lange Zeit erhebliche Außenstände. Teilweise schieben wir noch heute Außenstände in Form von Gutscheinen vor uns her.
Zudem waren die Soforthilfe, Ü I und Ü II nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Erst Ü III hat bei mir zu der Überzeugung geführt, dass BTO diese Krise meistert.
BM: Wie hat sich diese Krise auf Ihre Mitarbeiter ausgewirkt, sind alle trotz der persönlichen Sorgen und Nöte – Stichwort Kurzarbeit – bei der Stange geblieben?
Langguth: Im ersten Corona-Jahr hielten alle Mitarbeiter BTO die Treue. Im zweiten Corona-Jahr begann – verständlicherweise – eine Absetzbewegung und Neuorientierung unter den Kollegen. Ein Viertel hat nach und nach Abschied genommen.
Kritisch wurde es, als damit auch wertvolles Reise-Knowhow abwanderte. Ein derartiger Verlust an Erfahrungsschatz und Wissen schmerzt.
BM: Wie versuchten und versuchen Sie, diese Herausforderung zu meistern?
Langguth: Die Not macht erfinderisch. Wir strukturierten die Prozesse um, indem wir eine Produktionsleitung geschaffen haben, die die Gesamtaufgaben und -arbeit miteinander koordiniert. Dadurch sind wir tatsächlich effizienter geworden und konnten in Teilen die Probleme, die durch die Abwanderung entstanden sind, kompensieren.
Die Arbeitsabläufe in den einzelnen Destinationsbereichen unterscheiden sich wenig. Dadurch ist jeder Mitarbeiter in der Lage, auch in anderen Geschäftsfeldern zu arbeiten. Die fehlende Ländererfahrung müssen und können wir nur allmählich wieder aufbauen, indem wir z. B. die Kollegen auch wieder in die Welt schicken, damit sie vor Ort ihre Erfahrungen sammeln können.
BM: Können Sie denn die personellen Lücken in Ihren Reihen wieder auffüllen?
Langguth: Wir stocken aktuell erfolgreich unser Personal auf. Der Arbeitsmarkt verfügt durchaus noch über Reserven, was ich an der Anzahl der eingehenden Bewerbungen erkenne. Allerdings sind darunter viele Quereinsteiger.
BM: Müssen Sie dazu die Gehälter nach oben hin anpassen, um zusätzliche Bewerbungen zu generieren?
Langguth: Dafür müsste ich kein höheres Gehalt als ortsüblich zahlen, aber ich mache es trotzdem. Wichtig ist mir, dass am Ende eines Jahres alle Mitarbeiter und ihre Familien von ihrem Gehalt ordentlich leben konnten.
BM: Haben Sie infolge der jahrelangen Pandemie Kunden verloren, weil Busunternehmen aufgegeben haben?
Langguth: Das ist bisher eindeutig nicht der Fall. Ganz im Gegenteil konnten wir aktuell über 30 Neukunden gewinnen, die von sich aus den Kontakt zu BTO gesucht haben. Das mag daran liegen, dass viele Busreiseveranstalter in unruhigen Zeiten mehr auf die Paketer als Partner setzen, als es vor Corona der Fall war.
BM: Warum glauben Sie das?
Langguth: Der Arbeitsaufwand, eine Reise zu organisieren und schlussendlich umzusetzen, ist erheblich gestiegen, weil nicht mehr alle Zahnräder in der Touristik ineinander greifen. Die bekannte Infrastruktur in unserer Reisebranche, die über Jahrzehnte gewachsen ist, ist erheblich gestört.
Hotels und Restaurants fehlt z. B. immer noch das Personal und können daher nicht mehr den gewohnten Service bieten. Sie reduzieren darum ihre Leistungen. An den Flughäfen kommt es aus dem gleichen Grund zurzeit zu langen Wartezeiten. Flüge werden kurzfristig storniert.
Als Busunternehmer da einen erfahrenen Partner an seiner Seite zu wissen, hat in schwierigen Zeiten durchaus Vorteile. Das Signal, das uns unsere Kunden häufig widerspiegeln, ist, dass wir als fairer Partner wahrgenommen werden. Das ist sicherlich eine unsere großen Stärken. Uns ist an langfristig guten Kooperationen gelegen. Zudem haben wir intern eine sehr flache Hierarchie, was viele Prozesse in der Zusammenarbeit mit unseren Kunden erleichtert.
BM: Neue Probleme betreffen auch die Touristikbranche: Inflation, Preissteigerung, Energiekrise und der Krieg in Osteuropa…
Langguth: In der Tat – gut unterwegs waren wir z. B. in Russland, Aserbaidschan, Armenien, Georgien usw. Dies waren unter unseren Zubucher-Reisen echte Trendziele. Diese Geschäftsfelder bzw. Länder brechen uns schlicht auf Jahre gesehen weitgehend weg.
Die Inflation wird dazu führen, dass auch die Kunden, die gerne mit dem Bus verreisen, vermehrt auf ihr Geld achten müssen. Das bewirkt u. a., dass viele beim Reisen sparen oder darauf ganz verzichten werden.
Die Preissteigerungen in der Energieversorgung treffen wiederum die ganze Branche ins Mark. Davon sind alle betroffen und man wird sehen müssen, wohin das führt. Ich gehe z. B. in unserem Markt in den nächsten Jahren von Preissteigerungen von 30 bis 40 % aus.
BTO wird vor diesen Herausforderungen sicherlich nicht den Kopf in den Sand stecken. Wir werden versuchen, mit unseren Geschäftspartnern dann Lösungen zu finden, so dass das Verreisen weiterhin realisierbar und bezahlbar bleibt.
BM: Sehen Sie BTO eher als ost- oder norddeutsches Unternehmen?
Langguth: Ganz eindeutig norddeutsch. Bei uns sagt man „Moin“. Wir werden oft auf den Osten reduziert, jedoch das entspricht nicht der Wirklichkeit. Historisch liegen zwar unsere Wurzeln in Ostdeutschland bzw. in der DDR. Aber wir sind ganz eindeutig im Norden beheimatet und sind von der Mentalität echte Mecklenburger.
Wir haben noch viele treue Ostkunden, die mit BTO zusammen aufgewachsen sind. Diese Anzahl sinkt allerdings, da Unternehmen altersbedingt aufgegeben werden. Das ist im Osten ein Problem, da hier alle Unternehmen mehr oder weniger direkt nach der Wende entstanden sind und nun nach 30 Jahren Unternehmensführung zeitgleich vor der Entscheidung stehen, ob und wie es weitergehen kann.
Zudem konnten wir uns in den letzten Jahren auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik einen sehenswerten Kundenstamm aufbauen, so dass wir mittlerweile in beiden Landesteilen gleich gut aufgestellt sind. Ergo: Wir sind in der ganzen Bundesrepublik zu Hause!
BM: Herr Langguth, wir danken für Ihre Zeit und das Gespräch.
Bildquelle: Dirk Sanne